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Ewald, Georg Heinrich August an Gauß, Carl Friedrich. Tübingen 30. August 1840.

Tübingen 30 Aug[ust] [18]40.

Mit großer Rührung und innigem Danke habe ich Ihre Zeilen vom 22 d[ieses] gelesen und daraus gesehen daß Sie, theuerster Vater meiner Verklärten, durch den Verlust der nicht größer seyn konnte wenigstens in Ihrer der Welt auf so einzige Weise nützlichen Gesundheit nicht zu sehr angegriffen sind. Die Größe des Verlustes wird freilich je länger man ihn betrachtet desto fühlbarer, für mich wenigstens der ich durch den Trauerfall woran die ganze hiesige Stadt den schmerzlichsten Antheil nahm, in den ersten Tagen in ungewöhnliche Spannung kam und nun erst in Ruhe das Unendliche stiller betrachte was ich verloren habe. Es ist mir etwa so zu Muthe wie den Jüngern als sie den Herrn unter sich vermißten: aber wie sie hoffe auch ich das Theuerste und Liebste was sich denken läßt einst ganz wieder zu erblicken und fühle schon jetzt in jedem Augenblicke seine Nähe.

Ich darf es nicht wagen vor Ihren Augen die Vorzüge der Verklärten und ihre einzigen Tugenden alle aufzuzählen. Sie wissen das alles noch besser. Lassen Sie mich nur die eine Wohlthat hervorheben die ich durch sie empfing, die Ihnen etwas näher gekommen zu seyn und den in Ihnen waltenden Geist bewundern gelernt 2 zu haben. Die Abende welche Sie uns in Göttingen schenkten und in denen auch Minna ihre glückseligsten Stunden auf Erden sah, werden mir immer unvergeßlich seyn.

Vielleicht wünschen Sie über die letzten Wochen der Verklärten nähere Auskunft. Leider läßt sich nichts sagen als daß das Übel langsam aber sicher fortschritt bis es in den 2 letzten Tagen plötzlich seine Höhe erstieg. Der Arzt fragte mich am 13ten, ob ich eine Leichenöffnung wünschte: da ich mich erinnerte einst den Widerwillen der Seligen gegen solche Öffnungen vernommen zu haben und da der Arzt zugleich mit der größten Bestimmtheit erklärte das Übel sei eine längst unheilbare Lungenkrankheit gewesen, so wies ich dies Anerbieten zurück. Der Keim des Übels scheint sehr alt gewesen zu seyn; ich erinnere mich wie die Verklärte mir wohl sonst erzählte daß sie als Mädchen nie das Tanzen oder anhaltendes Singen vertragen habe, im Herbste 1831 nach den für sie sehr angreifenden Tagen des Todes ihrer sel[igen] Mutter kamen dann die ersten Blutanfälle[1] welche sich leider nie ganz verloren. Dabei aber war ihr Körper eigentlich ganz gesund und stark, herrlich gebauet und wohl erhalten, und es war das schmerzlichste, den langen Kampf zu sehen, den ihre eben so zarte als starke Hülle mit männlicher Kraft und höherem Muthe gegen die Fortschritte des 3 Übels aushielt. Noch letzten Winter war sie nicht eben kränker als die frühern Winter in Göttingen, meine Hoffnung war desto größer je mehr sie nun nach zurückgelegtem 32ten Jahre die Gefahren der Jugend überwunden zu haben schien. Die hiesige Luft soll Kranken dieser Art eher wohlthätig als schädlich seyn; und daß sie hier von den politischen Wirren sehr fern und ungestört lebte, schien auch, bei anderm Unglücke, doch mehr ein vorläufiges Glück zu seyn. Aber die außerordentlich trockne Luft im Frühjahre und als sie im Mai kaum sich etwas erholt hatte, die Nachrichten welche H[er]r Lott über Theresens Krankheit hieherbrachte, scheinen einen Fall beschleunigt zu haben der freilich nach des Arztes Versicherung für immer nicht mehr zu vermeiden gewesen wäre.

Über anderes wird auf Ihren Wunsch Emilie[2] erzählen können welche Ende dieser Woche von hier reist und ihren Weg über Göttingen nimmt. Sie wird auch die Rede mitbringen welche hier am Grabe, zum Theil nach Herkommen, gehalten ist. Ein sehr guter Maler[3] der noch einen Gipsabdruck genommen hat, wird ihr Bild im Großen malen das ich für Sie theuerster Vater bestimmt habe; neben einem Steindenkmale hier denke ich noch an ein anderes Denkmal der Liebe und Verehrung[4] $-$ aber wie gering ist das alles für die Lücke die sie uns gelassen und für die Sehnsucht zu ihr die ich den Rest meines Lebens heute so groß wie morgen tragen werde.

In ehrfurchtsvoller Liebe

Ihr

gehorsamer Sohn

H. Ewald.

ich erlaube mir 2 Briefchen einzulegen, an Weber u[nd] H[er]r[n] Hauenschild.

4

S[eine]r Hochwohlgeboren

Herrn Hofrath Gauß,

Director der Sternwarte

etc.

Göttingen.

frei.

1 Gemeint ist: Bluthustenanfälle.

2 Emilie Ilse, die Anfang Juli 1840 zur Pflege Minnas aus Göttingen eingetroffen war; siehe den Brief von Gauß an Minna vom 29. Juni 1840.

3 Der Universitätsmaler Friedrich Dörr. Er starb bereits im Februar 1841, ohne an das Bild Hand angelegt zu haben; siehe den Brief von Ewald an Gauß vom 12. April 1841.

4 Anmerkung von Mack: "Hier ist wohl eine Gedächtnisschrift gemeint, deren Abfassung dann doch unterblieben wäre."