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      Marburg, den 30. Juni 1854.

Gestern erhielt ich zwei Briefe, die Nachrichten von Ihnen enthielten, mein hochverehrter Freund, und die mich veranlassen, Ihnen gleich heute einmal wieder zu schreiben. Der eine war von Ihrem lieben Thereschen, der zweite von meinem Bruder in Meldorf.

Beide stimmen gottlob darin überein, daß es mit Ihrer Gesundheit doch jetzt besser geht, und letzterer namentlich hat mich versichert, daß er Sie viel wohler gefunden, als er gehofft hatte. Gott gebe, daß es bei diesem Besserbefinden bleibe oder vielmehr dasselbe stetig zunehme! ̶ Meinem Bruder haben Sie durch Ihre freundliche Aufnahme eine große Freude gemacht, wofür ich Ihnen zu vielem Dank verpflichtet bin. Er schreibt sehr vergnügt, darüber und hat auch seinem Nachbarn, Dr. Fechtmann, durch den überbrachten Gruß eine große Freude gemacht.

Thereschen schreibt mir aber überdies von einem schreckhaften Abenteuer, welches Sie durch scheu gewordene Pferde neulich erlitten haben. Ich hatte davon keine Ahnung, da Klinkerfues mir seit seinem letzten Kometenfund[1] noch nicht wieder geschrieben und damals nichts davon gemeldet hat. Ich kann nur herzlich Glück wünschen, daß diese große Gefahr so glücklich abgegangen ist, dabei mir aber den Schreck, den der Vorfall hinterlassen, auch lebhaft denken. Es sollte mir aber sehr leid tun, wenn Sie oder Therese sich durch den Vorfall abhalten ließen, fernerhin öfter spazieren zu fahren, wie es so manchen Leuten geht, denen dergleichen begegnet ist, und die dann nicht berechnen, daß die Gefahren durch ungezogene Pferde so etwa höchstens alle 30 Jahre an friedliche Personen kommen.

Daß Klinkerfues so viel Glück mit Kometenfinden hat, beweist mir, daß er fortfährt, fleißig darnach zu suchen, und wünsche ich von Herzen, daß Sie hierdurch sowie durch seine sonstigen Ar beiten noch recht viel Freude an ihm erleben. Unter den jungen Leuten, die mir nachts, wenn ich einmal nicht schlafen kann, im Kopfe herumgehen (einer von denselben steht jetzt als Kavallerieoffizier in der siebenbürgischen Armee) ist Klinkerfues mir immer noch einer der liebsten, der mir aber auch noch die größte Sorge macht, weil ich von ihm weniger Geschick wie von andern erwarte, sich zu einer sorgenfreien Lage durchzuarbeiten.

Ich habe jetzt hier einen lieben jungen Mann, der auch anfängt, sich mit astronomicis zu beschäftigen. Es geht aber, besonders da diesen Sommer die Witterung so sehr ungünstig ist, lang sam damit, und haben wir, weil er bei Klinkerfues' erster Nachricht 810 nicht einmal hier, sondern bei Verwandten in den Ferien war, den letzten Kometen nicht einmal suchen können. Allein kann ich leider dergleichen nicht mehr unternehmen, weil meine Augen leider es durchaus nicht mehr gestatten, abwechselnd durch ein Fernrohr und auf eine Sternkarte zu sehen. ̶ Außer dem Privatunterricht, den ich diesem jungen Mann zu gelegentlichen Stunden gebe, lese ich diesen Sommer nur 6 Stunden wöchentlich, und habe mit den jungen Leuten eine etwas ausgedehntere Nivellierungsarbeit vorgenommen, um den Ausguß der Wasserkunst auf dem Schloß über der Druckpumpe an der Lahn zu bestimmen.

Von meiner Familie kann ich gottlob melden, wie auch mein Bruder erzählt haben wird, daß wir alle Vier im wesentlichen gesund sind. Aus Amerika hatten wir im Anfang des vorigen Monate die letzten guten Nachrichten und hoffen, nun bald weitere zu erhalten.

Thereschen bitte ich heute nur meinen herzlichen Dank für ihren lieben Brief zu sagen. Ich gedenke denselben in einiger Zeit selbst zu beantworten, muß mich heute aber auf einen freundlichen Gruß beschränken. ̶

Behalten Sie uns in, freundlichem Andenken!

Von Herzen der Ihrige

Gerling.

1[Klinkerfues entdeckte den dritten Kometen des Jahres 1853, den ersten, dritten und vierten des Jahres 1854, den zweiten des Jahres 1855, den fünften des Jahres 1857. ]