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Verzeihen Sie, mein hochverehrter Freund, die Verspätung meiner Antwort auf Ihr gütiges Schreiben.[1] Ich habe erst auf unsrer Bibliothek nach dem bewussten Buche[2] suchen lassen, obwohl, zu meinem grossen Bedauren, vergeblich. Es ist bei unsrer Bibliothek Grundsatz, keine Übersetzungen solcher Werke anzuschaffen, wovon sie die Originale besitzt, und [es] wird davon nur selten abgewichen. Eben so erfolglos sind bisher meine Bemühungen gewesen, das Buch in einer Privatsammlung aufzutreiben. Vielleicht würden Versuche in Leipzig oder Wittenberg mehr Hoffnung geben.

Hohe Freude gewährt mir die Nachricht von Ihrem stets ungestörten Wohlbefinden. Wer könnte eines solchen seltnen Glücks würdiger sein, als Sie. Ich selbst kann nicht dasselbe von mir sagen. Zwar habe ich seit vielen Jahren keine eigentliche Krankheit gehabt. Dagegen habe ich eben so lange allerlei kleine Übel immer mehr wachsen sehen, u. a. eine fast absolut gewordene Schlaflosigkeit. Verknüpft damit ist die immer gebieterischer werdende Nothwendigkeit der äussersten Schonung und der allereinförmigsten Lebensweise und die grösste Reizbarkeit gegen äussere Einflüsse, psychische vor allem mitgerechnet. So bin ich durch die zwei in den letzten zwei Monaten erlittenen Verluste von Schumacher[3] und Goldschmidt[4] sehr gebeugt und weiß nicht, ob ich für letztern einen Ersatz werde finden können.[5]

Bewegt hat mich doch auch das mit letzterm fast gleichzeitige Abscheiden Jacobis, obgleich dieser mir viel weniger nahe gestanden. Ich habe seine Stellung in der Wissenschaft stets für eine sehr hohe gehalten. Ihnen muß es jedenfalls ein angenehmes Gefühl sein, daß Sie es gewesen sind, der sein Talent zuerst hervorzog und ihm in so manchen Wechselfällen (wobei ich seine Verirrungen[6] in den letzten Jahren gern vorzugsweise auf Rechnung seines krankhaften Zustandes setze) eine wirksame Stütze sein konnten. Einigen Antheil lasse ich auch mir selbst nicht nehmen und denke noch mit Vergnügen daran, daß ich den damals 21jährigen jungen Mann Ihnen zuerst empfohlen habe,[7] wie ich denn noch (unter sämtlichen übrigen) auch Ihren im Anfang 1827 geschriebenen Brief[8] aufbewahre, worin Sie mir dafür danken , daß ich Sie auf dies aufkeimende Talent aufmerksam gemacht habe.

Nach einem solchen Abtreten kann ich unmöglich unterlassen, an ein ganz ähnliches und gewiß nicht geringeres Talent zu denken. Wahrscheinlich bietet doch jenes die erleichterte Möglichkeit dar, dem jungen Eisenstein eine bessere Stellung zu geben, und ich würde Sie gewiß auf das allerdringendste bitten, sich kräftigst für ihn zu verwenden, wenn ich 105 nicht glauben müßte, daß dies ganz überflüssig sein würde. Denn ich weiß ja, daß Sie früher Ihr Wohlwollen diesem hochbegabten jungen Mann reichlich zuwandten, und ich halte es für unmöglich, daß dasselbe in späterer Zeit durch irgend etwas habe geschwächt werden können.[9]

Wenn Sie ganz wüssten, wie sehr der Empfang jeder directen Mittheilungen mich erquickt und beglückt, so würden Sie bald wieder einen solchen Festtag bereiten

Ihrem treu anhänglichen

C. F. Gauß

Göttingen, 28. Februar 1851

1[Brief 42; Brief 43 war wohl noch nicht eingetroffen. ]
2[Titius 1772. ]
3[Gauß' vertrauter Freund und Korrespondent Schumacher war am 28.12.1850 in Altona gestorben. ]
4[Goldschmidt, seit 1835 Gauß' Assistent, starb ganz plötzlich auf der Sternwarte Göttingen am 15.2.1851, erst 44 Jahre alt. Humboldt kannte Schumacher und Goldschmidt persönlich, mit beiden, vornehmlich mit Schumacher, hat er korrespondiert. ]
5[Goldschmidts Nachfolger wurde Klinkerfues; vgl. Gerling an Gauß, 9.3.1851 bis 15.2.1852; Gauß an Gerling, 14.3.1851 bis 17.1.1852 (Gerardy 1964, S. 114, 117-120; Schaefer 1927, S. 769, 770, 773, 776, 780, 781). ]
6[Damit meinte Gauß Jacobis politisches Engagement 1848/49 (Ahrens 1907; Biermann 1973a, S. 52-53), für das er kein Verständnis aufzubringen vermochte; siehe auch Anm. 4 zu Brief 42. ]
7[In dem verschollenen Brief 4. ]
8[Brief 5. ]
9[Humboldt legte diesen „ostensiblen” Brief (siehe Anm. 4 zu Brief 39) von Gauß am 13.3.1851 dem Direktor der Unterrichtsabteilung im preuß ischen Kultusministerium, Johannes Schulze, vor, um so seinen Anträgen für Eisenstein mehr Nachdruck zu verleihen (ZStA Merseburg. Rep. 92, Schulze, Nr. 16, Bl. 208). Auch zuvor schon hatte sich Humboldt Schulze wie anderen Repräsentanten der Ministerialbürokratie gegenüber auf Gauß ' Urteil über Eisenstein berufen. ]