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Ich melde Ihnen, innigst verehrtester Freund, bloß durch diese Zeilen, von denen ich hoffe, daß sie in Ihre Hände kommen, mit wie tiefem Schmerze ich Ihren Brief vom 19. empfangen, wie wohlthätig mir dieser Ausdruck Ihres Wohlwollens war und wie meine Gedanken seit einem Monate nach G[öttingen] gerichtet sind.[1] In dieser Richtung liegt beharrlich das Bestreben, nützlich sein zu können, aber leider habe ich auch dazu noch keine tröstliche Aussicht. Selbst, was mir so einfach und klar scheint, das Anerkennen des Edeln in einer Handlungsweise, die, mit Ausschluß aller politischen Aufregung, jeglichen äusseren Vortheil der Stimme des Gewissens glaubt aufopfern zu dürfen, ist vielen aus den sogenannten höheren Regionen fremd. Nachbarliche Bedenklichkeiten[2] verrücken auch den Gesichtspunkt. Die Zeit soll, denke ich, eine richtigere Ansicht herbeiführen. An mir zweifeln Sie , mein theurer Freund, und unser liebenswürdiger,[3] geistreicher, harmloser W[eber] nicht. Wie schrecklich wäre es, alles das gestöhrt zu sehen, was ich (vor Monathen) in vollen fruchtbringenden Halmen aufschießen sah.[4] Dazu schwebt meiner Phantasie das Bild Ihrer zarten, kranken, schönen Tochter und des edeln E[wald] vor.[5] Ich bin schwach genug, die Trennung nicht zu wünschen und an einen Deus ex machina[6] zu glauben $-$freilich ein mythischer Glaube. Das Herz steht mir nicht, Ihnen von anderen Meteoren[7] zu schreiben. Die unpunctirte Linie ist allerdings die wahre, aber es ist gar keine Linie; denn ich hatte weder die mittlere Zeit genau, noch dachte ich daran, mehr zu thun, als das Allgemeine, die Perturbation, zu meinem Vergnügen zu controliren. Ein Enkel des grossen Franklin, qui fulmen eripuit Coelo sceptrumque tyrannis,[8] der Prof. der Physik in Philadelphia Herr Dallas Bache[9] , ein in magnetischen Dingen sehr unterrichteter, angenehmer Mann, bringt Ihnen diese Zeilen. Schenken Sie ihm eine freundliche Aufnahme. Er verdient sie in hohem Maße.

Mit alter dankbarer Verehrung

Ihr gehorsamster

Al. Humboldt

Potsdam, den 25. Dec. 1837

1[Kurz vor Empfang des Briefes von Gauß vom 19. Dezember hatte Humboldt am 20.12.1837 an Bessel geschrieben: „Die Nachrichten aus Göttingen sind sehr traurig. Alle 7 verabschiedet. Von Gauß habe ich keinen Brief [$\ldots$], glaube aber kaum, daß er die Sternwarte und sein magnetisches Gespinst aufgibt, obgleich er durch die Trennung von Ewald und Weber sehr isolirt steht.” (ZAAdW Berlin. Nachlaß Bessel.) ]
2[Das heißt opportunistische Rücksichtnahme auf die Regierung des Preuß en benachbarten Hannover. ]
3[D irrt.: lobenswürdige (statt „liebenswürdiger”). ]
4[Als Humboldt im September in Göttingen gewesen war. ]
5[Ewald ging im Mai 1838 nach Tübingen, wo seine Frau, Gauß' Tochter Minna, am 12.5.1840 ihrem Lungenleiden erlag, das sie sich bei der Pflege ihrer Stiefmutter durch Ansteckung zugezogen hatte. ]
6[Lat.: Der Gott aus der Maschine $-$im Sinne einer unerwarteten glücklichen Lösung. ]
7[Dove 1877, S. 492, irrte, wenn er annahm, Humboldt hätte „Materien” (statt „Meteoren”) geschrieben. In diesem Falle ist seine Kritik an Bruhns 1877 unberechtigt. Entweder hat sich Humboldt versehen, oder die „Meteore” stehen in Zusammenhang mit dem nächsten Satz, der sich auf den verschollenen Brief von Gauß vom 19. Dezember (Nr. 25) beziehen dürfte. ]
8[Lat.: Der dem Himmel den Blitz entriß, den Tyrannen das Zepter. Ein damals geflügeltes Wort, das Franklin als Erfinder des Blitzableiters und als Revolutionär preist. ]
9[An Schumacher schrieb Humboldt am 26.12.1837: Bache „geht von hier zu Gauß, von dem ich schmerzliche Briefe habe. Welche Roheiten. Die Bösen können die Universitäten zerstöhren, etwas gelingt ihnen nicht: eine uralte Institution, die sich immer ersetzt und erneuert, vulgo die Jugend genannt, abzuschaffen, de supprimer la jeunesse.” (DSB Berlin. Nachlaß Schumacher.) Diese Sentenz findet sich mehrfach in Humboldts Briefen. ]