\( \def\Grad{\unicode{xb0}} \def\mdsu#1{^#1} \def\Iup{\unicode{x2643}} \def\Sat{\unicode{x2644}} \def\Pallas{\unicode{x26B4}} \def\Gmin#1{\unicode{x2032}} \def\Gsek#1{\unicode{x2033}} \def\Gter#1{\unicode{x2034}} \def\Ggrad#1{\unicode{x00B0}} \def\gevier{\unicode{x2014}} \def\astrosun{\unicode{x2609}} \def\leftmoon{\unicode{x263E;}} \def\opposition{\unicode{x260D;} } \def\jupiter{\unicode{x2643;} } \def\mercury{\unicode{x263F;} } \def\mars{\unicode{x2642;} } \def\Leo{\unicode{x264C;}} \def\Aries{\unicode{x2648;}} \def\Pointinghand{\unicode{x261E;}} \def\handright{\unicode{x261E;}} \def\triangle{\unicode{x25B3;}} \def\Stern{\unicode{x204E;}} \def\Ceres{\unicode{x26B3;}} \def\Juno{\unicode{x26B5;}} \def\Pallas{\unicode{x26B4;}} \def\comet{\unicode{x2604;}} \def\dotfill{\dots\dots\dots} \def\bis{-} \)

Ihr freundschaftliches Schreiben vom 27. Januar, mein Verehrtester! hat mir innige Freude gemacht. Es ist ein grosser Entschluß, einen Theil meiner Freiheit und eine wissenschaftliche Lage aufzugeben, in der ich hier seit 18 Jahren manchen schönen geistigen Genuß gehabt. Aber ich bereue nicht, was ich gethan. Das intellectuelle Leben hat mich unendlich angesprochen bei meinem letzten Aufenthalte in Deutschland[1] und die Idee, in Ihrer Nähe, in der Nähe derer zu leben, die meine Bewunderung für Ihr grosses vielseitiges Talent lebhaft theilen, ist ein wichtiger Beweggrund meines Entschlusses gewesen. An gutem Willen, nützlich zu sein, soll es mir nicht fehlen und ich rechne stets auf Ihren Rath, auf den Rath „des grossen Meisters in der Kunst”.

Capt. Sabine,[2] ein bescheidener, freundlicher Engländer (und der freundlichen, mittheilenden giebt es nicht Ueberfluß) war seit wenigen Tagen angekommen, als Ihr Brief voll schöner Beobachtungen über die Strahlenbrechung mich erfreute.[3] Wenn man den grossen Namen Gauß nennt, ist jede Negociation[4] leicht. Sie werden in der Anlage sehen, daß Sabine alles thut, was Sie wünschen.

Ich hoffe, daß der junge Dirichlet den freilich bis jetzt ärmlichen Ruf[5] nach Breslau angenommen hat. Innigsten Dank für die Nachrichten, die Sie, Verehrungswerther Freund, mir von dem Privat-Docenten Herrn Jacobi geben. Es giebt der Menschen nicht viele, die „das heilige Feuer” bewahren und ich werde Ihnen stets unendlich dankbar sein, wenn Sie fortfahren, mich auf die jungen Talente aufmerksam zu machen, die Ihres Schutzes werth sind. Prof. Bessel's Freundschaft ist mir unendlich viel werth. Bessel ist ein überaus liebenswürdiger Mann, dessen Umgang mir Belehrung und Freude gewähren wird.

Hier sind wir noch immer in Trauer: La Place's Gesundheit erregt uns viel Besorgnis. Es war ein bösartiges Nervenfieber. Sein Arzt Magendie glaubt, ihn geheilt zu haben;[6] aber er 31 ist unendlich schwach, verdaut schlecht, und redet nicht immer zusammenhängend. Mit ihm verschwindet eine grosse, ich darf nicht sagen die letzte mathematische Zierde von Frankreich, denn er vereinigte mit dem mathematischen Talente, das vielleicht Poisson, Fourier und Cauchy mit ihm theilen, ein vielseitigeres Wissen und eine Bildung der Sprache, die weit erhabener als sein Charakter ist.

Ihre Strahlenbr[echungs]-Beob[achtungen][7] sind von der grössten Wichtigkeit. In den geringeren Anomalien zeigt sich die grössere Genauigkeit der Beobachtungen. Ihr Endresultat 0,07 ist auffallend gering, aber herrlich übereinstimmend mit den Vormittagsbeobachtungen. Die Wärmeabnahme ist im allgemeinen weit schneller nahe an der Erde und (wie Pictet's Versuche lehren) gegen Abend so, daß der Coefficient negativ werden muß . Wenn Sie wünschen, recht viel Beobachtungen über Wärmeabnahme bei verschiedenen Normal-Temperaturen der Ebenen, in der kalten, gemässigten und Tropen-Zone gesammelt zu sehen, so werfen Sie gewogentlichst den Blick auf mein Mémoire sur les réfr. terrestres in meinen Rec. d'Obs. astr., T. I, p. 127-147 ;[8] auf meine Untersuchung der mittleren Wärme der Luftschichten bei 0° Breite und 45° Br[eite] von 0-2000 Toisen Höhe in Mém. de la Société d'Arceuil , T. III,[9] und meine Arbeit über mirage und Wärme der untersten Luftschichten Relat. hist., T. I, p. 625-631 .[10]

Mit innigster dankbarer Verehrung

Ihr

Al. Humboldt

Paris, den 16. Febr. 1827

Wir erwarten mit Sehnsucht Ihre Theorie der krummen Flächen.[11] Hier treibt man Physik und Pressfreiheit und Streit über die mythologischen Namen der Herzöge (der alte Bonapartische Olymp, den Graf Appony[i][12] erschüttert), aber wenig beobachtende Astronomie. 32

1[Humboldt hatte sich Ende September 1826 für zwei Monate nach Berlin begeben, um seine endgültige Rückkehr dorthin (April 1827) vorzubereiten. Auf der Hinreise hatte er Gauß in Göttingen besucht. Gauß schrieb darüber am 14.1.1827 an Olbers: „Eine groß e Freude habe ich vor mehreren Monaten gehabt, Humboldt hier persönlich kennen zu lernen, und doppelt angenehm ist es mir nun, daß er künftig seinen bleibenden Aufenthalt in Berlin nehmen wird.” Am 1.3.1827 ergänzte er nach Empfang des oben wiedergegebenen Humboldt-Briefes: „Ich bin überzeugt, daß Humboldt's Rückkehr nach Berlin dem Gedeihen der exakten Wissenschaften in Deutschland die grössten Vortheile bringen wird. Auf das Lebhafteste interessirt er sich dafür, daß jedes ausgezeichnete Talent aufgemuntert werde.” (Olbers 1900/09, 2, S. 467-468, bzw. S. 472.) ]
2[D irrt.: sagt Sabine (statt „Capt. Sabine”). ]
3[Der verschollene Brief 4. ]
4[Geschäftliche Verhandlung. ]
5[Die jährliche Besoldung Dirichlets in Breslau betrug 400 Taler. ]
6[Laplace starb jedoch am 5. März. ]
7[Siehe Anm. 3. ]
8[Humboldt 1810a. ]
9[Humboldt 1817. ]
10[Humboldt 1814/25, 1. ]
11[Gauß 1828. ]
12[D irrt.: Apperz (statt „Apponyi”). ]